Eisenbahnererinnerungen – Lübbenau und seine Lokeinsatzstelle
Vor 135 Jahren, 1890, wurde am Lübbenauer Bahnhof ein Lokschuppen eingeweiht, zunächst für acht Lokomotiven. Dies wurde zwingend notwendig, denn auf der 1866 erbauten Strecke Berlin – Görlitz verkehrten inzwischen regelmäßig Dampfzüge, deren Lokomotiven mit Kohle und Wasser versorgt werden mussten. Außerdem wurden sie hier gewartet, repariert und als Triebfahrzeugreserve vorgehalten.
Einer der Lübbenauer Eisenbahner, der sich an erfolgreiches gemeinsames Arbeiten erinnern kann, ist Klaus Franzke. Er war Eisenbahner mit Herz und Seele, ein Kümmerer, wie man heute sagt. Noch in Ostpreußen geboren, kam er als Einjähriger mit seinen Eltern nach einer entbehrungsreichen Flucht in Lübbenau an. Nach der Schulausbildung wollte er eigentlich Förster werden, aber sein Eisenbahner-Vater lenkte ihn dann doch noch in eine andere Richtung: Lokführer sollte sein Traumberuf werden – und er wurde es auch. Im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Cottbus erlernte er den Beruf des Lokschlossers, der so ganz anders war als das Försterdasein an frischer Luft und in grüner Umgebung. Staub, Asche, Öl und zumeist ein dunkler Arbeitsplatz an und in den schwarzen Dampflokomotiven waren nun seine alltägliche Umgebung. Aber nur so konnte er die Dampflokomotiven von der Pike auf kennenlernen, später eine Heizerausbildung und anschließend eine Lokführerausbildung machen. Bereits 1964 fuhr er als ganz junger Lokführer auf den Baureihen 55 im Rangierdienst, mit der 38er im Reisezugdienst und der 43er und 52er im Güterzugdienst.
Die umfangreichen Erfahrungen mit den verschiedenen Loktypen und eine Qualifizierung befähigten ihn später zum „Fahrlehrer“. Inzwischen im Bahnbetriebswerk Lübbenau tätig, kamen weitere Aufgaben hinzu. Bis zur Schließung des Werkes 1993 war er Bereichsleiter für Triebfahrzeugbetrieb. Dampfloks verkehrten kaum noch auf den von Lübbenau ausgehenden Strecken, sie wurden aber noch eine Zeit lang als Reservetriebfahrzeuge vorgehalten, 1979 erfolgte deren endgültiges Aus. Das Diesellokzeitalter war angebrochen und wurde nach relativ wenigen Jahren von den Elektroloks abgelöst. Doch erst einmal wurden Dieselloks aus sowjetischer und der DDR-Produktion eingesetzt. Die V 200 aus dem damaligen Bruderland wurde wegen ihrer Betriebslautstärke auch gern „Taigatrommel“ genannt und hauptsächlich im Güterzugdienst eingesetzt. Die DDR-Lok V 180 aus Babelsberg diente vorrangig im Personenverkehr.
Diesellokbetrieb
Unter der Überschrift „Dienst auf einer V 200 – Vierzehn Eisenbahner schulten um“ berichtete die Lausitzer Rundschau über den Beginn des Traktionswechsels in Lübbenau: „Am 1. Februar 1969, früh 4.41 Uhr, im Bahnbetriebswerk Lübbenau. In der Lokleitung melden sich Brigadelokführer Genosse Felix Niederhof und Lokführer Klaus Franzke zum ersten Dienst auf einer Diesellok der Baureihe V 200. Der Vorsteher Genosse Stephan begrüßt sie und appelliert, allzeit störungs- und unfallfrei zu fahren. Das sei ein wichtiger Beitrag zur Erfüllung der Transportaufgaben im 20. Jubiläumsjahr der Deutschen Demokratischen Republik. (LR vom 18.02.1969)
Klaus Franzke: „Nach dieser ersten erfolgreichen Fahrt wurden Felix Niederluf und ich im Bahnhof Lübbenau vom Vorsteher Stephan und dem BGL-Vorsitzenden Heinze mit Blumen empfangen. Was heute gern als propagandistische oder ideologische Darstellung gesehen wird, entsprach damals dem gängigen Vorgehen: Man war stolz auf die Leistung der anderen – und dafür gab es Blumen und einen Handschlag!“
E-Lokbetrieb
Am 17. Dezember 1988 erfolgte die Eröffnung des elektrifizierten Streckenabschnittes Halbe – Lübben – Lübbenau – Calau – Großräschen – Senftenberg. Den ersten Zug zog die 243 823, besetzt mit dem Lübbenauer Lokomotivführer Willi Richter und dem Instrukteur für Triebfahrzeuge Klaus Franzke. Der Zug startete um 10.23 Uhr im Bahnhof Spreewitz/Schwarze Pumpe und hatte als Fahrtziel Berlin.
Inzwischen ist der elektrische Betrieb nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Allerdings hat dadurch das Lübbenauer Bahnbetriebswerk seine über ein Jahrhundert andauernde Funktion verloren. Wurden die Dampf- und später die Dieselloks dort noch gewartet und repariert, war dies für die E-Loks nicht mehr vorgesehen. Dazu hätte das gesamte Werk mit seinen inzwischen 18 Lokstellplätzen mit einem sehr hohen Investitionsaufwand umgebaut werden müssen. Lediglich die Drehscheibe war teilweise mit Fahrdraht überspannt worden, um E-Loks bei Bedarf wenden zu können.
Um 1980 waren im Lübbenauer Bahnbetriebswerk 225 Eisenbahner und Eisenbahnerinnen beschäftigt, deren Zahl noch auf 300 anstieg, aber nach der Wende drastisch abnahm. Die Triebfahrzeugtechnik wurde fortan in Senftenberg gewartet, als Lokeinsatzstelle verlor das Lübbenauer Werk ebenfalls zunehmend an Bedeutung.
Klaus Franzke gehörte zu denjenigen, die am 31. Dezember 1993 sprichwörtlich das Licht ausschalteten und die Tore verschlossen. Die Rest-Belegschaft versammelte sich ein letztes Mal an der Drehscheibe, auch um Dankesreden zu hören und um ein Abschiedsfoto zu machen. Klaus Franzke wurden anschließend weitere verantwortungsvolle Aufgaben übertragen, zuletzt bei der DB-Regionalleitung Nordost in Berlin, bevor er in die Rente verabschiedet wurde.
Die Lübbenauer Gebäude und Anlagen verfielen mit der Zeit – doch das Gelände steht nun vor einer Wiederauferstehung: Die „Spreewälder Gurkenwelt“ wird hier nach umfangreichen Bau- und Rekonstruktionsarbeiten in wenigen Jahren einziehen.
Peter Becker, 17.09.25


Blick in den ehemaligen Lokschuppen: