Spreewalddorf Lehde
Historisches Lehde
Zum ersten Mal wird das Dorf „Lehde“ in einer Verkaufsurkunde aus dem Jahr 1315 erwähnt. Damals besteht der Ort nur aus wenigen Fischerhütten. Über lange Zeit bleibt seine Einwohnerzahl so gering, dass nur die Taufnamen der Bewohner benutzt werden. 1818 hat Lehde gerade 13 Häuser mit 70 Einwohnern. Im Lauf des 19. Jahrhunderts entstehen, vorwiegend durch Erbteilung, zahlreiche neue Gehöfte, 1900 zählt man insgesamt 43.
Nach der Wende zum 20. Jahrhundert lässt das schnelle noch Anwachsen der Gemeinde deutlich nach. Während Lehde 1929 298 Einwohner zählt, sind es heute nur noch etwa 130.
Landwirtschaft betreibende Höfe gibt es gerade noch sieben. Dabei waren der umfangreiche Gemüseanbau, der Verkauf von Heu und die Viehhaltung jahrhunderte lang die Einnahmequellen der Bewohner Lehdes. „Besonders berühmt durch seine Rindviehzucht ist Lehde, wo 2/3 des Viehbestandes aus Mastvieh besteht … Berlin ist der Hauptmarkt für das Spreewälder Mastvieh“ (Bericht aus dem Jahr 1855)
Große Hochwasser, andererseits Trockenjahre, brachten die Bauern jedoch oft um den Lohn ihrer schweren Handarbeit. Mit dem Einsetzen des organisierten Fremdenverkehrs ab 1882 bietet sich ihnen eine zusätzliche Erwerbsquelle als Kahnfährmann. Um die Jahrhundertwende kommen viele Maler in das Gasthaus „Zum fröhlichen Hecht“ Sie tragen neben verschiedenen Reisebeschreibungen zum weiteren Bekannt werden des Ortes bei.
Durch alle Zeiten bleibt in Lehde der Kahn das wichtigste Transportmittel. Bis zum Bau einer Landverbindung nach Lübbenau im Jahr 1929 ist das Dorf nur mit seiner Hilfe zu erreichen. Zu einzelnen Gehöften kann man nach wie vor allein auf dem Wasserweg gelangen. Bis heute erschließt sich Lehde am eindrucksvollsten vom Kahn oder vom Boot aus.
Die Urform des Spreewaldkahns ist der Einbaum. Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt man, Kähne nach neuer Bauweise aus Brettern herzustellen. Das Werkstatt-gebäude der 1884 von Carl Richter in Lehde eingerichteten Kahnbauerei ist heute Teil des Freilandmuseums. In einer neuen Werkstatt baut Karl Koal, der Urenkel des Betriebs-gründers, nach dessen alter Technologie die typischen Spreewaldkähne.
Der Spreewald ist in landschaftlicher wie ethnologischer Hinsicht von ganz besonderem Reiz, es gibt in Mitteleuropa nichts Vergleichbares.
In den Gemeinden Lehde und Leipe, im Herzen des Oberspreewaldes, erhalten bis jetzt die wenigen noch produzierenden Landwirte die Struktur dieser einzigartigen Kulturlandschaft. Ihre Arbeit ist für den gesamten Spreewaldtourismus von unschätzbarem Wert. Die hier praktizierte Landwirtschaft auf kleinsten Flächen ist äußerst handarbeitsaufwendig und besonders im Dorf Lehde durch die Nutzung des Spreewaldkahnes als wichtigstes Transportmittel geprägt. Das macht es unmöglich, landwirtschaftliche Produkte zu marktwirtschaftlichen Preisen zu erzeugen. Doch ohne die traditionelle Bewirtschaftung ist die überkommende Vielfalt des Landschaftsbildes und damit dessen touristische Attraktivität nicht zu erhalten. Es geht nicht darum, etwas Überholtes zu konservieren, sondern die nachhaltige Gestaltung einer besonderen Form der Landnutzung zu erreichen. Lehde ist trotz seines bekannten Freilandmuseums in diesem Sinne kein Museumsdorf, sondern ein Ort, der (noch) pulsierendes Leben ausstrahlt.
Lagunenstadt im Taschenformat
Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts entdeckt der Tourismus den Spreewald. Theodor Fontane zählte 1858 zu den ersten Besuchern. In seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ gibt er eine Beschreibung von Lehde, die heute fast unverändert gelten mag.
„Einzelne Häuser werden sichtbar; wir haben Lehde, das erste Spreewalds-Dorf, erreicht. Es ist die Lagunenstadt im Taschenformat, ein Venedig, wie es vor 1500 Jahren gewesen sein mag, als die ersten Fischerfamilien auf seinen Sumpfeilanden Schutz suchten.
Man kann nichts Lieblicheres sehen als dieses Lehde, das aus ebenso vielen Inseln besteht, als es Häuser hat. Die Spree bildet die große Dorfstraße, darin schmalere Gassen von links und rechts her einmünden. Wo sonst Heckenzäune sich ziehn, um die Grenzen eines Grundstücks zu markieren, ziehen sich hier vielgestaltige Kanäle, die Höfe selbst aber sind in ihrer Grundanlage meistens gleich. Dicht an der Spreestraße steht das Wohnhaus, ziemlich nahe daran die Stallgebäude, während klafterweis aufgeschichtetes Erlenholz als schützender Kreis um das Inselchen herumläuft. Obstbäume und Düngerhaufen, Blumenbeete und Fischkasten teilen sich im übrigen in das Terrain und geben eine Fülle der reizendsten Bilder. Das Wohnhaus ist jederzeit ein Blockhaus mit kleinen Fenstern und einer tüchtigen Schilfdachkappe; das ist das Wesentliche; seine Schönheit aber besteht in seiner reichen und malerischen Einfassung von Blatt und Blüten: Kürbis rankt sich auf, und Geißblatt und Convolvulus schlingen sich in allen Farben hindurch.
Endlich zwischen Haus und Ufer breitet sich ein Grasplatz aus, an dem sich ein Brückchen oder Holzsteg schließt, und um ihn herum gruppieren sich die Kähne, kleiner und größer, immer aber dienstbereit, sei es, um bei Tag einen Heuschober in den Stall zu schaffen oder am Abend einem Liebespaare bei seinem Stelldichein behilflich zu sein.“